Blaulichtkampagne

Tätliche Angriffe auf Polizeibeamte und Feuerwehrleute, Einsatzkräfte, die beleidigt und bei der Ausübung ihrer Arbeit behindert werden: Nicht nur in Großstädten und Ballungszentren sinkt der Respekt gegenüber Mitgliedern der „Blaulichtfamilie“. Auch im ansonsten so beschaulichen Kitzingen berichten Beamte der Polizeiinspektion von Angriffen auf ihre Person und Mitglieder des Roten Kreuzes, dass sie nicht selten von Schaulustigen angepöbelt werden, wenn sie am Einsatzort eintreffen. Mit einer groß angelegten Kampagne will die Stadt Kitzingen ab Mitte November auf die bedeutsame Arbeit aller Einsatzkräfte aufmerksam machen – und darauf, dass sie auf die Mithilfe und Unterstützung der Bürger angewiesen sind.

 „Die Hemmschwelle ist gesunken“, konstatiert der Leiter der PI Kitzingen, Jochen Dietrich. Immer häufiger werden seine Mitarbeiter bei Einsätzen körperlich angegangen, bespuckt oder beleidigt. 30 Fälle von körperlicher Gewalt gegen Polizisten gab es im Jahr 2022 in Stadt und Landkreis Kitzingen.

Die Mehrheit der Bevölkerung steht hinter den Einsatzkräften, respektiert deren Arbeit für die Allgemeinheit. Darin sind sich die Vertreter aller vier Einheiten einig. Dennoch: Es hat sich in den letzten Jahren etwas verschoben. „Der Respekt ist nicht mehr selbstverständlich“, bedauert Stadtbrandinspektor Matthias Gernert. Auch deshalb hat er die Idee für eine groß angelegte Kampagne von Anfang an unterstützt. „Wir werden damit nicht die Welt verändern“, weiß er. „Aber vielleicht den einen oder anderen aufrütteln. Wegschauen ist jedenfalls keine Lösung.“

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Die Idee dahinter

Vertreter von Feuerwehr, Rotes Kreuz, THW und Polizei haben sich im Frühjahr zum ersten Mal an einen Tisch gesetzt, um die Rahmenbedingungen zu besprechen. Die Stadt Kitzingen agiert als Initiator, Koordinator und Geldgeber, jede Gruppierung stellt zwei Mitglieder als Repräsentanten - als Menschen, die von ihren guten und weniger guten Erfahrungen im Einsatz und von ihren Wünschen an die Mitbürger berichten. Mitte Oktober drehten Mitarbeiter der beauftragten Werbeagentur an vier prominenten Kitzinger Standorten entsprechende Videos und fertigten professionelle Bilder an. Darauf zu sehen: Je zwei Mitglieder der Blaulichtfamilie und drei Bürger aus ganz unterschiedlichen Bereichen: Einzelhandel, Sport, Kultur, Gewerbe. Frauen und Männer aus allen Altersschichten sind zu sehen. Die Botschaft: „Wir stehen hinter Euch.“

Die Suche nach den Unterstützern aus der Bürgerschaft war einfacher als gedacht. Jede Anfrage mündete schnell in einer Zusage. „Selbstverständlich mache ich mit“, meinte beispielsweise Regionalkantor Christian Stegmann. Es gehe schließlich um Ehrenamtliche, die ihre Freizeit für die Allgemeinheit opfern. „Für mich ist es überhaupt nicht nachvollziehbar, wenn diese Menschen angepöbelt und bei ihrer Arbeit behindert werden“, meinte er. Die zunehmende Respektlosigkeit gibt auch Stadtheimatpfleger Dr. Harald Knobling zu denken. Die Kampagne sei ein gutes Mittel, um auf diesen Missstand hinzuweisen. Die Weinprinzessin von Sickershausen, Sophia Beer, hat noch die Bilder vom Münchner Oktoberfest vor Augen. „Schrecklich, diese ganzen Betrunkenen, die die Sanitäter und Polizisten beschimpfen und beleidigen“, sagt sie. Dabei sei unsere Gesellschaft im Notfall genau auf diese Kräfte angewiesen. „Die Vorstellung, dass es brennt und die Feuerwehr kommt nicht, weil es nicht mehr genug Freiwillige gibt, ist schrecklich“, meint sie. Als Leichtathletik-Tainerin bei der TGK hat Barbara Kolb seit vielen Jahren Kontakt mit Kindern und Jugendlichen. Wie die Sportvereine würden auch Feuerwehr, THW oder Rotes Kreuz eine gute und wichtige Jugendarbeit leisten, den Kindern und Heranwachsenden eine Struktur geben. Die Nachwuchsarbeit gibt auch Pfarrer Thilo Koch zu denken. „Wer schickt seine Kinder noch zur Blaulichtfamilie, wenn deren Mitglieder so behandelt werden?“, fragt er. Dass Einsatzkräfte beleidigt und bei ihrer Arbeit behindert werden, sei nicht zu tolerieren. Die Aggressivität mancher Mitbürger sei mit nichts zu rechtfertigen, betont auch Barbara Kolb. „Die Einsatzkräfte leisten einen Dienst am Menschen.“

Wie für alle anderen Teilnehmer war es auch für Helmut Beer selbstverständlich, bei der Aktion mitzumachen. „Wenn Schaulustige bei einem Unfall die Arbeit der Rettungskräfte behindern, ist das mehr als befremdlich“, kommentiert er, während der Gründer und Geschäftsführer von weclapp, Ertan Özdil, daran erinnert, dass die Mitglieder der Blaulichtfamilie Menschen sind, die jeden Tag einen Mehrwert für die Gesellschaft leisten. Seine Schlussfolgerung: „Diese Kampagne ist überfällig.“